Mein wahres Leben: Wie alles Begann

Wie alles Begann


Da war ich 1 Jahr alt - 
und wusste von noch nichts
Ich wurde am 28.12.1954 in Halberstadt geboren. Auf Grund äußerer Anzeichen wurde in meiner Geburtsurkunde das Geschlecht „männlich“ vermerkt und ich erhielt den Vornamen Wolfgang.

Dass ich Gefühle habe, die nicht zu einem Jungen passen, merkte ich zum ersten Mal im Alter von ca. 5 Jahren bei der Anprobe eines Kleides.
Meine Mutter war Schneiderin. Sie nähte ein Kleid für meine Cousine, die in meinem Alter war und auch die gleiche Statur hatte.
Als es fast fertig war und sie eine Anprobe benötigte, bat sie mich, es an zu probieren, damit sie weiterkommt.
Zuerst habe ich mich gesträubt, da ich ja ein Junge war und ich wusste, Jungs ziehen keine Kleider an und es vom Gefühl her von mir erwartet wurde, es nicht zu tun. Da ich es aber unbedingt anziehen wollte (warum weiß ich nicht), habe ich dann „klein beigegeben“.
Es war ein herrliches Gefühl. Am liebsten hätte ich meiner Mutter gesagt, ich möchte auch so eins haben, habe mich aber natürlich nicht getraut. Am liebsten hätte ich es nicht mehr ausgezogen. Ich war richtig neidisch auf meine Cousine. 
Heute, im Nachhinein betrachtet, glaube ich sogar, sie hätte es mir genäht und ich hätte es sogar anziehen dürfen, wenn mein Vater nicht zu Hause gewesen wäre. Sie hatte sich nämlich ein Mädchen gewünscht. Wer weiß, wie mein Leben mit diesem frühen Outing gelaufen wäre?

Warum das alles so war, wusste ich damals natürlich nicht.

Ein paar Jahre später, ich war damals ca. 10 Jahre, nähte meine Mutter ein Shirt für mich. Damals wurden kaum Sachen gekauft, sondern fast alles selbst genäht. Ich war auch oft dabei, wenn sie nähte und sie brachte mir auch das Nähen mit der Nähmaschine bei.
Als sie das Shirt zuschnitt, fiel mir auf, dass die Vorlage aus einer Modezeitschrift für Mädchen war. Als ich mir noch Gedanken darüber gemacht habe, warum sie das macht und es mir ja gefiel, bemerkte sie das und sagte, „keine Angst, ich ändere den Schnitt ab, also keine Brustabnäher und nicht tailliert, ich habe nur keinen Schnitt für Jungs“. Da ich aber das Shirt so haben wollte, antwortete ich, „das brauchst du nicht und ich möchte das so haben, wie es ist“. Das zu sagen fiel mir schwer und ich bekam einen roten Kopf. Sie schaute mich kurz an und lächelte und nähte mir das Shirt so, wie es war. Das war also mein erstes eigenes „weibliches Kleidungsstück“.
Allerdings habe ich dann es nur 2 – 3-mal angehabt, da mich andere Kinder deswegen gehänselt haben und mich dann der Mut verließ, es anzuziehen.

Während meiner Schulzeit habe ich mich öfters am Kleiderschrank meiner Mutter bedient und Sachen wie BH, Seidenstrümpfe, Röcke und Kleider anprobiert und ihren Lippenstift ausprobiert. In der Regel war das meist in den Ferien, da meine Mutter nur halbtags arbeitete und immer vor mir zu Hause war.
Es war wie ein Zwang. Wenn ich wusste, es besteht keine Gefahr, dass jemand nach Hause kommt, musste ich das einfach machen. Und wenn ich die Sachen dann anhatte, obwohl sie nicht passten, war das einfach ein wunderbares Gefühl, welches ich auch heute kaum beschreiben kann. Ich stellte mir Fragen. „Warum mache ich das?“ Dass es nicht die „Sachen“ an sich sind, merkte ich eigentlich sehr schnell. Sie machten mich aber äußerlich zu dem, was ich wollte – ein Mädchen sein. Ich konnte es mir nicht erklären, warum das so ist. Ich versuchte das zu verdrängen, was mir aber kaum gelang und nahm mir oft vor, es nie wieder zu machen. Dieses innere Versprechen brach ich meist schnell wieder. „Warum möchte ich ein Mädchen sein? Ich bin doch ein Junge!“, fragte ich mich immer wieder und verstand es nicht.
Ich schämte mich davor und hatte Angst, dass es jemand erfährt, aber lassen konnte ich es einfach nicht. Damit nichts auffällt habe ich penibel darauf geachtet, wie alles lag und zusammengelegt war, um es hinterher wieder genau so zurückzulegen. Und wenn ich die Sachen anhatte und das Gefühl „genossen“ hatte, überkam mich meist die Angst, es könnte ja wer kommen und zog mich wieder um.
Es kam auch öfters vor, dass gleich danach die Sucht nach dem „schönen Gefühl“ größer war als die Angst, entdeckt zu werden und ich es nochmals, meist mit anderen Sachen, machte.
Einmal war ein Fleck auf einem Kleid. Ich habe versucht, ihn rauszubekommen, was mir aber nicht ganz gelang. Danach habe ich Angst gehabt, dadurch aufzufliegen und vielleicht war der Fleck ja schon vorher da, so dass es jetzt erst recht auffiel. Aber die Angst war unbegründet. Es kam keine Reaktion, genau so, als ich Laufmaschen in die teuren Nylonstrümpfe machte.

Mit 18 Jahren - 
Ich glaube, wäre ich da
 schon meinen Weg gegangen, 
wäre das ideal gewesen
Aus heutiger Sicht glaube ich auch, dass ich mein „Anderssein“ auch nicht nach außen verstecken konnte. Ich habe zwar keinem gesagt, dass ich lieber ein Mädchen wäre, wurde aber gefühlsmäßig teilweise von anderen so behandelt. Gefühle kann man auf Dauer nicht verstecken, auch wenn man es will.
Ich habe versucht, ein richtiger Junge zu sein. Es ist mir nicht gelungen. Ich war irgendwie „weicher“ als die Anderen. Von den Jungen war ich der Einzigste, der immer in der Schule in Betragen und Ordnung (die Noten gab es damals) eine 1 gehabt hatte. Prügeleien und Streit habe ich versucht zu vermeiden, und wenn nicht, habe ich stillgehalten oder nachgegeben. Auch mit Mädchen habe ich oft und gerne gespielt und Fußball habe ich gehasst.

Im Gegensatz dazu lief meine sexuelle Entwicklung normal. Ich „stand“ nicht auf Jungs, sondern nur auf Mädchen, war aber in der Regel sehr zurückhaltend.

Mit 18 Jahren habe ich meine heutige Frau kennen gelernt. Ab diesem Zeitpunkt habe ich erst mal meine „weibliche Seite“ beiseite gelegt. Einerseits gab es dann in den nächsten Jahren kaum Gelegenheiten (Armee, Studium – Internat mit Mehrbettzimmer, Wochenende nie alleine) und andererseits war in diesen Jahren das Verlangen auch nicht so groß. Ich habe zwar öfters daran gedacht, aber gelebt habe ich es nicht.

1 Kommentar:

  1. Bei mir fing das auch so mit 7-9 an mit dem anprobieren der Wäsche meiner Mutter.
    Als ich älter war und das Risiko erwischt zu werden nicht mehr eingehen wollte, habe ich zuerst Damenunterwäsche geklaut, bis ich erwischt wurde. Später habe ich mich dann getraut sie zu kaufen, aber nicht anzuprobieren, was dazu führte das ich viele nicht passende Stücke hatte. Obwohl ich "meine" Sachen versteckt hatte fand meine Mutter sie eines Tages und zwang mich Eingedenk der Aktion im Kaufhaus die Sachen im Wald zu verbuddeln. Ich habe mich damals über meine Mutter geärgert, aber trotzdem weitergemacht und die Sachen noch besser versteckt. Später habe ich Möglichkeiten gefunden die begehrten Stücke ohne Gefahr und Verlust meines ganzen Taschengeldes zu ergattern, so dass ich zu Beginn meines Outings mehr Damenwäsche jeglicher Art und Farbe hatte als die meisten Frauen.

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