Mein wahres Leben: Januar 2016

Samstag, 9. Januar 2016

Post von Jasmin

Nachdem ich nun lange nichts geschrieben habe, möchte ich heute mal wieder mal posten. Genau genommen ist es allerdings nicht von mir. 
Wenn sich hier im Blog auch kaum noch was tut, bekomme ich regelmäßig noch Mails, so wie heute von Jasmin. Sie bat mich das hier zu veröffentlichen: 

Hallo Andrea, zuerst einmal ein ganz ganz dickes Lob für deine Seite, ich habe sie nun schon mehrmals gelesen und bin immer noch begeistert. 
Da das Jahr noch nicht allzu alt ist, wünsche ich natürlich auch noch ein gesundes neues Jahr! 
Gestern fasste ich mir ein Herz und wollte einen Beitrag im Bereich "TS und die Ehe" schreiben. Jedoch war dieser zu lang und ich wusste nicht wie ich mir helfen sollte. Ich benutzte das Kontaktformular. Jetzt jedoch erscheint mir das als viel zu unpersönlich und ich habe mich überwunden dir direkt eine Mail zu schreiben. 

Zu meiner Person: 
Ich heiße jetzt Jasmin, werde im April 54 Jahre jung und bin Transfrau. Ich lebe mit meiner Frau in einem winzigen Häuschen am Rand von Berlin. Mein Outing war vor etwas mehr als 1 Jahr, das steht aber auch nochmal in dem Text den ich dir nun schicken will. 
Im Grunde ist es in Kurzfassung meine Lebensgeschichte, jedoch als positiver Beitrag im Bereich "TS und die Ehe" in meinen Augen angebracht. Außerdem beleuchtet der Text kurz mein Outing in der Firma. 
Vielleicht veröffentlichst du ihn ja: 

Hallo Andrea und natürlich auch alle anderen hier, ich möchte doch auch mal meine (durchweg positiven) Erfahrungen schildern: 

Ich bin die Jasmin, bin Transfrau, und noch nicht ganz 54 Jahre jung. Ich habe meine Ehefrau vor etwas mehr als 23 Jahren kennen gelernt. Damals wusste ich noch nicht wirklich was mit mir los war/ist. Aber ich habe ihr schon ein paar Tage nach dem Kennenlernen gesagt das ich mich in Frauenkleidung sehr wohl fühle. 
Damals dachte ich noch ich sei Crossdresser und würde mit gelegentlichem "Verkleiden" bis an mein Lebensende glücklich sein (weit gefehlt!). Was ich aber sagen will: Sie hat es damals positiv aufgenommen – ja sie hat mich sogar unterstützt, hat mir geholfen die für mich passenden Kleidungsstücke zu erhalten und mir die Möglichkeit gegeben, es im häuslichen Umfeld auszuleben. 

Vor fast 18 Jahren haben wir geheiratet. 

Mit der Zeit wurden die Abstände zwischen meinen Episoden immer kürzer bis ich so sehr darunter litt, keine Frau zu sein, das ich krank (d.h. stark depressiv) wurde. 
Mit meiner Frau habe ich während der vielen Jahre immer offen und ehrlich über das Thema geredet. Sie begleitete mich, stützte mich, half mir. Anfang 2014 ließ ich mich krank schreiben. Ich verkroch mich zuhause. Es hat über ein halbes Jahr gedauert bis mich meine Hausärztin davon überzeugen konnte, eine Therapie in einer psychotherapeutischen Tagesklinik anzufangen. 
In dieser Therapie war es ein relativ kurzes persönliches Gespräch mit einer Mitpatientin, das mich wach rüttelte. 
An diesem Tag ging ich heim und redete mit meiner Frau darüber, dass ich nun endgültig als Frau leben wolle und den Weg der Hormontherapie sowie auch (damals noch eventuell, heute aber ganz sicher) eine GaOp ansteuern möchte. Natürlich war sie erst einmal geschockt – wer ist das bei so einer Nachricht nicht? Aber sie hat sich zu mir bekannt, gesagt das wir das zusammen durchstehen (Ihre Bedingung war nur das unsere Ehe nicht geschieden wird, wir wussten damals noch nichts über die Änderung im TSG). 
Am folgenden Tag bin ich En-Femme (und ich war noch nie vorher in Frauenkleidung, d.h. mit Rock, Bluse und Schuhen mit kurzen Absätzen, in der Öffentlichkeit!) in öffentlichen Verkehrsmitteln zu der Tagesklinik gefahren. Es folgten zuerst erstaunte Blicke, dann wechselten die Blicke in "Jetzt verstehe ich...". Die Psychologin nickte mir anerkennend zu und bat mich in ihr Büro. Dort sagte sie mir das sie mich unterstützen will, so weit es ihr möglich ist und das sie großen Respekt vor meinem Mut hat. Ich habe dann die gesamte restliche Therapie als Frau gemacht. 
Von Stund an ging es mir erheblich besser und ich wurde am Ende der Zeit des Klinik-Aufenthaltes mit der Diagnose F64.0 in die Öffentlichkeit entlassen. Am gleichen Tag an dem ich das erste Mal En-Femme draußen war, habe ich Abends meinen Kleiderschrank ausgeräumt und sämtliche männlichen Kleidungsstücke inklusive aller Schuhe, Jacken etc. in große Säcke gepackt und zur Altkleidersammlung gegeben. 
Seit diesem Tag lebe ich ausschließlich als Frau. Meine liebe Frau unterstützt mich in allem, sei es nun in Sachen Kleidung, Make-up oder auch wie ich denn meinen Gang verbessere (nur um einige Beispiele zu nennen) ... ich lerne quasi von ihr äußerlich eine Frau zu sein bzw mich so zu verhalten, so wie ein Mädchen dies von ihrer Mutter lernt. 

Vor 1 Jahr nun habe ich meine Hormontherapie begonnen, habe Ende September meine VÄ/PÄ beantragt, einen Gerichtstermin hatte ich auch und die Gutachtertermine sind auch schon durch. Ich bin also mitten auf dem Weg der mich wesentlich glücklicher und viel selbstbewusster gemacht hat. Meine Frau ist und war immer Teil dieses Weges. 

Ach ja – der einzigste Wermutstropfen bisher ist, dass meine Eltern sowie auch meine Schwester bisher nicht in der Lage sind, meine Transsexualität zu tolerieren oder zu akzeptieren. Sie reden mich weiterhin mit meinem männlichen Namen und mit "er" an. Ich hoffe sehr, dass es mit der Zeit irgendwann einmal zur Akzeptanz kommen wird. 

Um es auch noch kurz anzusprechen: Nach einem Jahr Krankheit habe ich mich wieder in meiner vorherigen Firma gemeldet. Ein erster Termin (es nannte sich "Betriebliches Wiedereingliederungsmanagement") war insofern amüsant, da den Anwesenden Personen inklusive der Geschäftsführerin erst einmal die Münder offen standen, als ich dort als Frau erschien. 
Die erste Frage war dann auch "Wie dürfen wir sie jetzt ansprechen?" Ich antwortete: "In meinem Ausweis steht noch Herr, jedoch würde ich mich sehr freuen wenn sie mich als Frau H..., oder als Jasmin ansprechen würden“. Als ich dann den ersten Arbeitstag hatte, schickte mein Abteilungsleiter (in Absprache mit mir) eine Mail an alle Mitarbeiter, in der er mich nach der langen Krankheit willkommen hieß und erklärte, was denn mit mir los wäre und das er sowie alle Mitglieder der Geschäftsleitung mich nach besten Kräften auf meinem Weg unterstützen wollen. Er bat in dieser Mail darum das alle Mitarbeiter dies ebenso tun. 
Das ist nun etwas mehr als 1 Jahr her und in der ganzen Zeit habe ich nichts erlebt das in irgendeiner Form diskriminierend war oder in Richtung Mobbing gehen würde (Das leidige Thema Toiletten lasse ich mal ganz bewusst weg). Klar hört man über 7 Ecken das getuschelt und geredet wird, aber wenn man selbstbewusst damit umgeht und niemandem eine Angriffsfläche bietet, lässt es sich sehr gut damit leben. 

Nun ist dieser Post doch mehr geworden als nur ein kleiner Beitrag zum Thema "Wie gehen Eheleute mit dem Thema Trans* um". 
Ich war deshalb so ausführlich, weil ich denke das es für das Gesamtverständnis wichtig ist. 

Viele liebe Grüße Jasmin