Es ist unbestritten, dass es diesen
Perfektionszwang gibt. Aber jede Frau wird ihn unterschiedlich spüren
und jede Frau wird auch anders versuchen, ihn zu erfüllen. So wird
es einer Frau fast egal sein, ob sie perfekt ist oder nicht,
zumindest findet sie sich damit ab, wie sie ist und eine andere wird
alles versuchen, einem Ideal nahe zukommen.
Männer stehen nicht unter dem Zwang,
besonders schön und sexy zu sein. Aber stehen sie nicht auch unter
einem Druck, der verlangt besonders männlich zu sein, Erfolg und
Kraft zu haben, für die Familie zu sorgen und natürlich den
Handwerker zu Hause zu ersetzen und mehr?
Dass Mayk das alles so empfindet, ist
mir schon klar. Aber Mayk ist transident. Damit fühlt er als Mann.
Er ist aber im Körper einer Frau geboren. Damit hat er Jahrzehnte
versucht, auch das zu tun, was von ihm erwartet wurde – eine Frau
zu sein. Da er aber keine Frau ist, empfindet er den Erwartungsdruck,
attraktiv und modebewusst zu sein, besonders stark. Natürlich möchte
er versuchen, es allen recht zu machen und das zu sein, was von ihm
erwartet wird. Aber als Mann ist das eine Qual.
Erst als er selbst erkennt, dass er ein
Mann ist und den nicht einfachen Weg der Transition geht, braucht er
den Zwang, als Frau schön und attraktiv zu sein, nicht mehr
nachzugehen. Als Mann wird das von ihm nicht erwartet. Dafür muss er
aber sich der männlichen Geschlechterrolle entsprechen verhalten.
Das erwartet die Gesellschaft von ihm. Aber als Mann ist es natürlich
viel einfacher für Mayk, diese Rolle auch zu erfüllen. Damit ist
für ihn der Erwartungsdruck nicht mehr spürbar. Er verhält sich
jetzt einfach so, wie er sich fühlt und das macht ihn glücklich.
Wenn ich das jetzt mit mir, als
Transfrau vergleiche, ist es nicht umgekehrt genau so. Von mir wurde
erwartet, dass ich meine Rolle als „Mann“ auch entsprechend
einnehme. Da ich körperlich auch männlich war, habe ich das fast
mein ganzes Leben versucht. Es ist mir auch weitgehend gelungen, aber
hat unwahrscheinlich viel Kraft gekostet. Und um diesen
Erwartungsdruck zu erfüllen, habe ich versucht, dass zu sein, was
ich nicht bin und das hat mich krank gemacht. Erst als ich mir selbst
eingestanden habe, eine Frau zu sein und auch so zu leben, war dieser
Druck weg. Im gewissen Sinn habe ich jetzt auch einen
Perfektionszwang besonders feminin und schön zu sein. Aber dieser
belastet mich nicht, sondern macht mir sogar Spaß. Und solange ich
weiß, wie „perfekt“ ich mit relativ einfachen Mitteln sein kann,
ohne übertrieben und meinem Alter entsprechend zu wirken und nicht
in einem krankhaften Schönheitswahn verfalle, ist das auch so in
Ordnung.
In der Sendung haben mir als Vergleich
noch normale Frauen gefehlt, die über diesen Perfektionszwang
berichten.
Ich würde mich freuen, wenn hier noch
ein paar Frauen, Transmänner und Transfrauen ihre Meinung kundtun
würden, wie sie einen Perfektionszwang empfunden haben, egal in
welcher Richtung der ging.
Eure Andrea